FAQ

Was Unternehmen jetzt wissen müssen

🔍 Kernänderungen im Überblick Ziel: Der Referentenentwurf des BMJV (11.09.2025) setzt die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie um. Er passt das Recht an Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und globale Lieferketten an – mit deutlich höheren Haftungsrisiken für Hersteller und Anbieter.

1. Erweiterter Anwendungsbereich Produkte: Nun auch Software, KI-Systeme, Cloud-Dienste und digitale Konstruktionsdateien (z. B. CAD). Open-Source-Software bleibt ausgenommen, wenn sie nicht kommerziell bereitgestellt wird.

Fehler: Umfasst auch Cyber-Sicherheitsmängel, fehlerhafte Updates/Upgrades, digitale Dienste und Selbstlernprozesse. Haftung kann auch nach Auslieferung bestehen, wenn der Hersteller die Kontrolle behält.

Schäden: Jetzt auch Datenschäden (nicht beruflich genutzte Daten) ersatzfähig. Keine Selbstbeteiligung oder Haftungshöchstgrenze mehr.

2. Erweiterter Kreis der Haftungspflichtigen Neben Herstellern haften künftig auch: Importeure, Lieferanten, Beauftragte Fulfilment-Dienstleister (außer reine Transportdienste) Online-Plattformen Komponenten- und Upcycling-Unternehmen

⚖️ Erleichterungen für Geschädigte Beweislastumkehr light: Gesetzliche Vermutungen für Fehler und Kausalität erleichtern Klagen. Offenlegungspflicht: Gerichte können Hersteller zur Herausgabe interner Unterlagen verpflichten.

Veröffentlichungspflicht: Produkthaftungsurteile der höheren Instanzen müssen öffentlich zugänglich gemacht werden.

🚨 Handlungsbedarf für Unternehmen Risikoprüfung: Haftungs- und Versicherungsschutz anpassen. Compliance & Dokumentation: Entwicklungs-, Sicherheits- und Update-Prozesse transparent dokumentieren. Cybersecurity: Anforderungen an IT- und Datensicherheit verstärken. Verträge prüfen: Rollen und Verantwortlichkeiten in Lieferketten klar regeln.

📅 Zeitplan Umsetzung bis 9. Dezember 2026. Sind Sie Vorbereitet? Vorbereitung und Anpassung interner Prozesse sollten jetzt beginnen.

Link:

BMJV - Gesetzgebung - Gesetz zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts

Weitere Informationen

Der Referentenentwurf des BMJV zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts vom 11. September 2025 dient der Umsetzung der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie. Im Vordergrund stehen Anpassungen an die Digitalisierung, die Kreislaufwirtschaft und an die globalen Wertschöpfungsketten. Hinzu kommen zivilprozessuale Regelungen, die Erleichterungen für die prozessuale Durchsetzung produkthaftungsrechtlicher Ansprüche vorsehen. Mit der Modernisierung werden die Haftungsrisiken für Hersteller und andere Verpflichtete deutlich erhöht.

Zusammenfassung der geplanten Neuerungen:

Erweiterung des Produktbegriffs, des Fehlerbegriffs, des Schadens und der Verpflichteten Das Produkthaftungsgesetz regelt, wer unter welchen Voraussetzungen für Schäden an Personen oder Sachen einstehen muss, die ein fehlerhaftes Produkt verursacht. Mit dem neuen Produkthaftungsgesetz werden einige zentrale Begrifflichkeiten und damit deren Reichweite ausgedehnt. Zum Beispiel wird künftig auch Software vom Gesetzeswortlaut ausdrücklich mit erfasst (was jedoch auch unter den bisherigen Begrifflichkeiten bereits der herrschenden Auffassung entsprach), der Fehlerbegriff wird neu gefasst, Schäden sind in weiterem Umfang ersatzfähig und das Gesetz erweitert den Kreis der

Haftungsadressaten:

Produktbegriff: Bisher ist jede bewegliche Sache sowie Elektrizität ein Produkt nach dem Produkthaftungsgesetz. Künftig gelten ausdrücklich auch sämtliche Arten von Software (einschließlich KI und Cloud-Lösungen) als Produkt. Ausgenommen ist Open-Source-Software, die außerhalb einer Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird. Außerdem werden digitale Konstruktionsunterlagen (digitale Vorlagen zur Herstellung eines Produkts), wie etwa Vorlagen für Bohr-, Dreh- und Fräsmaschinen oder CAD-Dateien, erfasst.

Fehlerbegriff: Nach dem Produkthaftungsgesetz ist ein Produkt fehlerhaft, falls es einen Sicherheitsmangel aufweist. Das beurteilt sich nach den berechtigten Sicherheitserwartungen des voraussichtlichen Benutzerkreises. Bei dieser Fehlerbeurteilung sind künftig auch die Selbstlernfähigkeiten des Produkts, vorhersehbare Wechselwirkungen mit anderen Produkten und Cybersicherheitsanforderungen einzubeziehen. Fehler können außerdem durch Updates, Upgrades, deren Unterlassen oder verbundene digitale Dienste entstehen. Auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Fehlerhaftigkeit wird ausgeweitet: Behält der Hersteller nachträglich die Kontrolle über das Produkt, z.B. durch (mögliche) Software-Updates und Upgrades, verschiebt sich der relevante Zeitpunkt nach hinten.

Schaden: Verursacht ein fehlerhaftes Produkt eine Tötung, eine Körper- oder Gesundheitsverletzung oder die Beschädigung einer anderen zum privaten Ge- oder Verbrauch bestimmten Sache, sind die daraus resultierenden Schäden von der Haftung erfasst. Neu ist nun, dass auch Schäden an (sogar nicht-personenbezogenen) Daten ersatzfähig sind, sofern diese nicht für berufliche Zwecke genutzt werden. Die bisherige Selbstbeteiligung der geschädigten Person bei Sachschäden und die Gesamt-Haftungshöchstgrenze eines Herstellers bei Personenschäden entfällt.

Verpflichtete:

Primär haftet bisher der tatsächliche Hersteller, der „Quasi-Hersteller“, der sich z.B. durch sein Kennzeichen als Hersteller ausgibt, sowie der Importeur in den EWR; kann der Hersteller oder Importeur nicht festgestellt werden, haftet der Lieferant. Künftig können im Falle von Herstellern außerhalb der EU neben Importeuren und Lieferanten unter bestimmten Voraussetzungen auch Beauftragte, Fulfilment-Dienstleister (außer reine Fracht-/Postdienste) und Online-Plattformen haften. Bei zusammengesetzten Produkten haften neben dem Produkthersteller auch der Komponentenhersteller oder der Anbieter eines verbundenen Dienstes, sofern die Integration mit Einverständnis erfolgte. Wer ein Produkt wesentlich verändert (z.B. Upcycling), gilt als Hersteller des veränderten Produkts.

Erleichterungen für Geschädigte, Transparenz von Entscheidungen:

 

Das neue Produkthaftungsgesetz soll darüber hinaus Beweiserleichterungen für Geschädigte schaffen und führt eine Verpflichtung zur Offenlegung von Beweismitteln ein. Künftig müssen außerdem bestimmte rechtskräftige Gerichtsentscheidungen veröffentlicht werden:

 

Vermutungen: Wer in einem Gerichtsverfahren einen Schadensersatzanspruch geltend macht, muss grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen beweisen. Zugunsten Geschädigter sollen künftig bestimmte gesetzliche Vermutungen für die Fehlerhaftigkeit und für die Kausalität zwischen Fehler und Rechtsgutsverletzung gelten. Eine besondere Beweismaßregelung greift bei komplexen technischen oder wissenschaftlichen Sachverhalten, um den Geschädigten die Beweisführung zu erleichtern. Für Hersteller bedeutet dies eine noch ungünstigere Ausgangssituation bei Produkthaftungsklagen: Denn die Beweislast der Geschädigten ist gegenüber der auch schon herstellerunfreundlichen Ist-Situation nochmals weiter abgeschwächt.

 

Discovery „light“: Wird ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht, kann das Gericht künftig die Offenlegung relevanter Beweismittel durch den Hersteller anordnen, die sich in der Verfügungsgewalt des Herstellers befinden. Damit soll dem Problem begegnet werden, dass die Geschädigten oftmals keine Informationen darüber haben, wie das Produkt hergestellt wurde und wie es technisch funktioniert, während solche Informationen beim Hersteller üblicherweise vorliegen.  Hersteller müssen sich also künftig darauf einstellen, dass ggf. interne Dokumente und Unterlagen in Gerichtsverfahren herausgegeben werden müssen. Eine Beschränkung greift hier im Einzelfall nur noch dann, wenn es sich um Geschäftsgeheimnisse handelt oder die Anordnung über das erforderliche Maß hinausgeht.

 

Veröffentlichung: Bislang werden Gerichtsentscheidungen nicht immer veröffentlicht. Mit dem neuen Produkthaftungsgesetz werden Gerichte der zweiten und dritten Instanz verpflichtet, rechtskräftige Entscheidungen elektronisch und leicht zugänglich zu veröffentlichen, wenn es in dem Verfahren um Produkthaftung ging. Das konkrete Medium der Veröffentlichung ist nicht vorgeschrieben. Auch wenn die Entscheidung anonymisiert veröffentlicht werden soll, ist davon auszugehen, dass Entscheidungen künftig eher in die Öffentlichkeit gelangen.

 

Fazit

Das neue Produkthaftungsrecht bringt erhebliche Haftungsverschärfungen für Unternehmen. Für die Umsetzung der EU-Produkthaftungsrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber noch bis zum 9. Dezember 2026 Zeit. Eine rechtzeitige Vorbereitung auf die geplanten Neuerungen ist bereits jetzt ratsam.